Der Mensch braucht die Natur aber die Natur braucht keine Menschen

Frühling

Paul 

Paul sitzt am Fenster. Seit Wochen scheint die Sonne. Schönes Wetter, sagen alle. Fast alle. Paul findet das Wetter schlecht. Es fehlt der Regen. Alles trocknet aus. Das Wetter wird immer extremer. Die Stürme im Winter. Die Wetterperioden dauern immer länger. Die Hitze geht über Monate. Ohne das sich eine Änderung ankündigt. Wir sollten unser Denken überprüfen. Das Wetter ist nicht schön, nur weil die Sonne scheint. Der Mensch es schön findet, wenn die warme Sonne strahlt. Es ist alleine die Sicht des Menschen, aus der er das Wetter beurteilt, überlegt Paul.

Karen

Als ob die Probleme der Menschheit nicht reichen, denkt Karen. Bin ich froh, dass ich die Coronaerkrankung ohne Langzeitfolgen überstanden habe. Die Klimaveränderungen werden überall immer deutlicher. Nicht nur der Meeresspiegel steigt. Und nun wieder ein Krieg in Europa. Als ob die Probleme der Menschheit nicht ausreichen, der Virus, Hunger und Armut und die Klimakatastrophe. Ich habe mich noch nie so ohnmächtig gefühlt.

Anna

Anna liest ein interessantes Buch über den Kapitalismus. Sie studiert Betriebswirtschaft im 4. Semester. Immer öfter fragt sie sich, ob es das richtige Studium für sie ist. Die Welt aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu sehen, ist eine rein menschliche Betrachtungsweise. Was hat das aber mit der Ökologie, mit der Natur zu tun? Anna kann zwar versuchen, die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf die Natur zu übertragen. Wie hoch ist der ökonomische Wert eines Baumes, eingerechnet der durch ihn stattfindenden Photosynthese? Die Natur als solches funktioniert anders, funktioniert in Kreisläufen des Werdens und Vergehens. Funktioniert im Zusammenspiel zwischen unzählig vielen ökologischen Aspekten. Was wird es bedeuten, wenn aus ökonomischen Gründen die Insekten aussterben? Vielleicht hätte ich lieber Bio oder Ökologie studieren sollen, überlegt Anna.

Petro und Irina

Der kleine Petro lebt in der Ukraine. Sirenen heulen über der Stadt. „Mama, wir müssen in den Keller. Komm schnell!“ Dieser Ort, in dem er lebt, wird von russischen Soldaten angegriffen. Warum? Petro hat keine Ahnung. Am liebsten hat er im Kindergarten mit Irina aus Moskau gespielt. Irina war immer so lustig und total nett. Die Kita ist zerstört. Petros Vater verteidigt die Stadt, seine Heimat. Petro hat ihn schon mehrere Wochen nicht gesehen. Vielleicht müssen wir fliehen, hat er seine Mutter flüstern gehört. Petro hat große Angst. Warum machen Menschen alles kaputt?

Professor Gutschmidt

„Wir zerstören, um wieder aufzubauen. Das treibt die die Wirtschaft an“, referiert Professor Gutschmidt in seiner Vorlesung. „Die Rüstungsindustrie verdient Milliarden am Krieg. An Zerstörung. Und ist der Krieg vorbei, dann muss repariert werden, neu aufgebaut. Das Leben scheint nichts Wert, das Dasein der unzähligen Opfer. Die Existenz eines Soldaten, der kämpfen muss, ist wertlos. Das ist das Fatale. Das Leben eines Menschen ist nichts Wert. Weil wir wirtschaftlich denken. Und nur Leistung zählt. Alleine das, was wir haben, gilt. Und das, was wir verdienen, zählt. Unsere Werte sind Leistung und Geld. Das ist die Krux. Unsere Werte haben nur noch sehr wenig mit der Natur als solches, mit der Welt, in der wir leben, mit dem Leben an sich, zu tun. Zurück zur Natur?“, fragt der Professor.

„Nein, es wäre kein zurück. Wir müssen den Wert der Natur als solches, und den Wert des Menschen als ein Teil dieser Natur, sehen, begreifen und anerkennen. Die Frage, was es kostet ist falsch gestellt. Sie spiegelt die wirtschaftliche Denkweise. Die Menschendenkweise. Das Denken des Kapitals, der Macht. Dieser Spiegel aber verblendet uns. Er macht uns blind. Wir haben verloren, um was es wirklich geht. Das neue große Auto ist es nicht, um das was es gehen sollte. Aber! Wie hoch bewertet wird der Erhalt von Leben? Der Vielfalt? Je bunter, um so besser. Ist der Kreislauf, ist die Wiederverwertung gegeben, durch die Art, wie wir Leben? Die Verantwortung, die wir tragen? Das müssen die Maßstäbe werden, die unsere Werte bilden. Die Werte unserer Gesellschaft.“

Max

Ich mag keinen Sport, meint Max. Warum soll ich mich abhetzen, warum soll ich der Schnellste sein? Wegen einer Urkunde? Einer Medaille? Und was, wenn ich Pillen schlucken muss, damit ich der Schnellste bin. Tabletten, damit ich noch länger laufen kann. Und Pillen, damit ich entspannen kann. Eigentlich doch nur, weil es Menschen gibt, die damit viel Geld verdienen, dass ich der Schnellste bin, weil ich mir so oft tolle Schuhe kaufen muss, weil sie die Eintrittskarten und Fernsehrechte verkaufen, und die Pillen, die ich schlucken muss, und die Pillen, damit ich wieder gesund werde, um noch mehr zu leisten.

Opa Bernd

Lügen haben kurze Beine, sagt Opa Bernd. Warum dürfen Menschen wie Putin oder Trump das Blaue vom Himmel lügen, ohne das ein lauter Aufschrei durch die Menschheit geht?

Karla und Oma Ida

Es gibt die, die anders denken, die anders leben, findet Karla. Der Biobauer auf dem Markt verkauft nur Bio. Kein männliches Küken wird nach der Geburt ermordet. Ja, ermordet, denkt Karla. Dafür kosten die Eier etwas mehr. Das ist so. Bald ist wieder Spargelzeit. Aber eigentlich schmeckt der Spargel nicht mehr so wie früher. Karla kennt keine Bauern, die den Spargel nicht unter Folie anbauen. Dafür gibt es Spargel nun Wochen früher als früher. Immer mehr und immer schlechter. Wie sehr hat sie sich damals gefreut, auf das sonntägliche Spargelessen bei Oma Ida.

Fatma

Es gibt die, die meinen, stärker zu sein als andere, glaubt Fatma. Hitler wollte die Juden ausrotten. Weil er sich stärker und als etwas Besseres fühlte, als andere, als Juden, als andere Menschen. China hat das kleine Tibet, wie es mal war, zerstört, Kloster niedergebrannt, Menschen vertrieben oder in Umerziehungslager gesteckt. Die Werte der Buddhisten, die den Regenwurm nicht zertrampeln, wenn sie den Acker bestellen, passt nicht in das kapitalistische Denken Chinas. In Afghanistan werden die Rechte der Frauen total eingeschränkt. Die Taliban, die Stärkeren, verbieten Bildung, verbieten die Sichtbarkeit von Frauen in der Öffentlichkeit. Alles passiert, damit das andere nicht größer wird. Damit die Macht die Macht behält. Nie im Leben, denkt Fatma, würde ich mein Kind auf eine islamistische, chinesische oder nazistische Schule schicken, wenn ich wüsste, was die Lehrer dort, mit meinem Jungen, machen, welcher Gehirnwäsche die Kinder unterzogen werden.

Die Dinosaurier sind ausgestorben. Warum auch immer. Die Menschen, nicht nur Paul, Karen, Anna, Petro, Irina, Professor Gutschmidt, Max, Opa Bernd, Karla, Oma Ida, Fatma, werden aussterben. Weil sie blind waren, weil sie auf die falschen Stimmen hörten. Weil sie die falschen Werte hatten. Die Natur braucht keine Menschen.