Nicht besser, nicht schlechter – nur anders

Dunkle Gasse mit historischen Gebäuden und Laternen, die den Weg beleuchten.

Ich bin nicht besser als du. Aber auch nicht schlechter. Nur anders. Wann wird die Menschheit das „Grundprinzip“ endlich begreifen?

Das ist ein Kern der Leistungsgesellschaft unserer Zeit: Eigentlich alles wird bewertet. In Beziehung gesetzt. Verglichen. Wir definieren uns über Leistung. Über das Bessersein als andere. Darüber, der oder die Beste zu sein, finden wir unser Selbstwertgefühl.

Bestimmt war es über Jahrtausende überlebenswichtig, möglichst der Größte zu sein. Am besten jagen zu können. Am erfolgreichsten alles zu tun, um die Sippe, die Familie, das Dorf zu führen, am Leben zu erhalten und weiterzuentwickeln. Es ist doch unvorstellbar! Ausgeliefert der Natur, abhängig von Wind und Wetter, ohne die heutigen Möglichkeiten, war das Leben komplett anders. Entsprechend war auch die Lebenserwartung sehr viel kürzer; zwischen 50 und 60 galt man schon als alt.

Und auch in der kapitalistischen Gesellschaft, mit der Industrialisierung vor einigen Hundert Jahren, ist man umso mehr einer, der hat und leistet. Das Eigentum, der Besitz, das Geld und auch die Möglichkeiten des Konsums zeigen uns den Wert, den wir haben sollen. Hast du was, bist du was.

Nur der (und ich gendere bewusst nicht) Stärkere überlebt. Dieses Denken scheint also über Jahrmillionen fest in den Genen, der Psyche und im sozialen Leben unserer Gesellschaft tief, fundamental vielleicht, verankert zu sein.

Dies scheint mir der Kern der Männlichkeit unserer Gesellschaft zu sein, als das Ergebnis der Menschheitsgeschichte. Und die Männerwelt gibt alles daran, es festzuhalten, es nicht infrage zu stellen, denn es ist der Angelpunkt der Macht, der Befehlsgewalt über andere. Wer gibt das schon freiwillig auf, wer gibt auf, was ihn mächtig erscheinen lässt?

Jedes essenzielle Denken und Handeln, jede Gewalt, meint doch von sich, das Bessere zu sein. Und um die eigene Macht zu erhalten, zu festigen und auszuweiten, wird das andere entweder vereinnahmt oder bekämpft.

Nicht nur für den vermeintlich kleinen Mann scheint es oftmals einfacher, sich unterzuordnen, sich anzupassen – in der Hoffnung, doch irgendein bisschen auch zu profitieren.

Und auch allzu viele Frauen passen sich dem an, denn auch sie sind entsprechend sozialisiert. Sie haben es genauso wenig wie Männer gelernt, anders zu sein, zu denken. Oftmals bestehen Abhängigkeiten, die die Freiheit einschränken. Und immer gibt es Mittel und Wege der Männerwelt, Voraussetzungen zu schaffen, mit Belohnung, mit Strafe, wie auch immer, andere zu unterwerfen. Nicht wenige Frauen passen sich eher dem männlichen Denken an, manchmal auch, um ihren Vorteil zu erlangen.

Diese Welt, die Welt der männlichen Macht, ist das Problem, welches über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte nun zu dieser Gesellschaft geführt hat, in der wir leben. In einigen Ländern gibt es mehr Gleichberechtigung und die Anerkennung des Diversen. Aber in vielen Köpfen, überall auf der Erde, stecken wir fest, sehen wir uns Männer als das Bessere, den Nabel der Welt.

Kein Mensch, kein Denken ist unabhängig, unbeeinflusst. Das männliche Denken schwappt auch auf das weibliche Geschlecht. Beispielsweise werden Feminismus und Gleichberechtigung nur so weit anerkannt, wie es dem Leben der Männer entgegenkommt.

Wir Männer, das männliche Denken der Leistungsgesellschaft, ist das Problem.

Das Denken ist das Problem: das Denken, das alles bewertet. In besser und schlecht. In gut und böse. In schön und hässlich. In Kategorien und Schubladen. In Vor- und Nachteil. Das Alleine wäre noch nicht mal das Problem, aber es geht oftmals, ich will fast behaupten immer, so weit, dass das andere in der Abwertung und Verurteilung bekämpft wird. Wir sind die Elite. Die sich durchsetzen muss. Koste es, was es wolle.

So verliert das Leben des Einzelnen seinen Wert, weil das Leben derjenigen, die die Macht haben und alle Karten ausspielen, diese zu halten wissen und den Wert bestimmen.

Wird sich dieses Denken, aus der Not des menschlichen Überlebens heraus geboren, wandeln können?

Nein, weil die Mauern in den Köpfen viel zu hoch, zu fest sind und wir Menschen doch eher den Umständen nachgeben. Und verlieren wir nicht sonst jegliche Sicherheiten, die unser Leben absichern? Und die Konkurrenz, der Druck, ist doch einfach zu hoch; es gibt doch immer welche, die unsere vermeintliche Schwäche ausnutzen werden.

Und ja, weil es so nicht weitergehen kann. Es kann kein Überleben der Menschheit geben, wenn wir unser Denken und Handeln nicht ändern, unsere Werte. Wir müssen leben, dass nicht das andere unser Feind ist, uns bedroht, sondern dass das Fremde immer auch eine Bereicherung ist. 

Das Weibliche ist nicht besser und auch nicht schlechter als das Männliche. Es ist anders, und überhaupt, wenn wir genau hinschauen und es zulassen, haben wir alle nicht nur ein Wesen in uns, ein Geschlecht. Wir sind alles, mehr oder weniger.

Die Kraft liegt doch im Gemeinsamen, im Miteinander, im Sich-Begleiten. Aber auch das ist nicht das Allheilmittel. Es braucht genauso die Eigenständigkeit. Das Sich-Selbst-Wahrnehmen und -Leben. Die Eigenständigkeit darf in keiner Symbiose verloren gehen.

Manchmal scheint, dass radikales Denken und Handeln notwendig sind, um eine Veränderung wirkungsvoll anzustoßen. Aber generell glaube ich nicht, dass uns irgendeine fundamentale Veränderung, am wenigsten mit Mitteln der Gewalt, wirklich weiterbringen kann. Es verhärtet die Fronten, bringt uns gegeneinander auf und ändert nichts am Denken, dass der Stärkere gewinnen muss.

Ändert nicht, dass es gar nicht mehr darum geht, der Stärkere zu sein, der den Unterlegenen besiegt. Dass sich irgendetwas, das „eine Richtige“, durchsetzt.

Denn das wird nicht passieren. Das ist der Beginn des Endes der Menschheit, in dem wir feststecken, mit Bleikugeln an den Füßen.

Alle Veränderung braucht Geduld und Zeit. So wie wir uns jetzt hinentwickelt haben in dieses Denken einer Leistungsgesellschaft, so wird es Ewigkeiten brauchen, dass sich das Denken und Handeln ändern kann. Dass wir erkennen, dass es um den Wert des Lebens geht. Dass es das Leben an sich ist, um das es geht. Das Leben, das jedem Lebewesen, egal ob Mensch, Mann oder Frau, Tier oder Insekt, geschenkt wird, weil wir ein Teil des Lebens der ökologischen Vielfalt sind.

Auch dies kann selbstverständlich nicht allein gültig Einzug halten. Es kann und muss nur an Bedeutung gewinnen und könnte so unsere Gewissheit, unsere Erkenntnis, unser Handeln beeinflussen.

Aber vermutlich ist der Mensch dazu nicht in der Lage. Jedenfalls nicht als Gesamtheit der Menschheit.

0 Kommentare

Hinterlasse ein Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar! Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Name und E-Mail-Adresse werden ausschließlich für diese Kommentarfunktion verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.

Schreibe einen Kommentar