Immer wieder anders – Hiddensee

Immer wieder anders - Hiddensee

Immer wieder anders. Es ist böig. Schauer und Sonne im Wechsel. Wir genießen den Kaffee bis zur Abfahrt. Auf der Fähre „Vitte“ und wir sind angekommen. Alles ist vertraut, als ob es gestern war, als wir hier waren. Und nicht schon wieder ein Jahr vergangen ist. Vertraut und doch auch ist es immer wieder neu. Das ist der besondere Reiz, für Menschen, die immer wieder kommen.

Immer wieder neu. Die unendlichen Weiten des Hiddensees. Der Wind bläst mir die Nasenhöhlen frei. Die Sonne scheint, das Meer braust. Wellen verändern den Strand. Jeder Moment ist einmalig. Innerhalb kürzester Zeit ist die Ostsee laut und von stürmischem Wind getrieben und leise säuselnd spiegelglatt. Nur der Wind hat sich gedreht, schon ist alles anders. 

So einiges bleibt auch unverändert. Der Frühlingsduft der blühenden Hagebutten, des Flieders und der Ölweiden zum Beispiel. Der Geruch des Meeres. Das Hufgetrappel der Pferdewagen. Das Fehlen nahezu aller Motorengeräusche von Fahrzeugen, Ausnahmen bestätigen die Regel.

Vertraute Gesichter. Hier trifft man sich öfter. Im „Wieseneck“ das sympathisch wirkende junge Paar am Nebentisch. Am Mittag darauf am anderen Ende der Insel die beiden, er mit bunten Ringelsocken liest Zeitung, im wunderbaren Café „Meersaal“. Am Strand lief eine ältere Frau zusammen mit einen weißhaariger Mann an uns vorbei, ein paar Stunden danach sitzen sie uns beim Erfrischungsbier beim „Zum Süder“ in Neuendorf gegenüber.

Nicht immer ohne Anstrengung. Der letzte Aufstieg, glaube ich, meinte meine Allerliebste. Zum Leuchtturm am Dornbusch. Es kam dann noch einer. Dafür ist das Konzert der Vögel unbeschreiblich fantastisch. Begleitet vom leisen Rauschen des Meeres. Und über uns blitzt der blaue Himmel zwischen den Wolken hindurch.

Es ist eine fröhliche Insel. Zu dem Fest „100 Jahre Feuerwehr Vitte“ gingen wir nicht. Aber mitbekommen haben wir es. Der Westwind trug die Musik der Feier bis nach Kloster. Und als wir am Nachmittag im „Hafenkater“ waren, kamen einige deutlich angeheiterte Feuerwehrmänner, auf dem Weg zur spaßigen Überfahrt nach Rügen, vorbei. 

Oftmals ist es eine leise Insel. Wenn einem nicht gerade am Nebentisch eine laut erzählende Gebieterin eine überrollende raumfüllende Energie ausstrahlt, die uns zum fluchtartigen verlassen der Gaststätte antreibt. Oder die Fahrradgruppe aus dem Rheinland, die in Rekordzeit nicht nur den Inselblick konsumieren muss.

Es ist eine sehr naturnahe Insel. Wenn auch hier die Folgen der Trockenheit in der Heide schon im Frühjahr deutlich sichtbar sind. Aber die Natur wirkt intakt, Mehlschwalben und Möwen, freche Spatzen, die beim „Klausener“ die Kuchenkrümel vom Teller stibitzen. Fütternde Bachstelzen am Strand, die uns, mit Futter im Schnabel für ihre Kleinen, so lange anzwitschern, bis wir den Platz am Strand endlich räumen.

Wenn Hiddensee doch ein Spiegelbild der Gesundheit der Erde sein könnte. Natürlich gibt es noch sehr viele vergleichbare Orte auf der Erde, aber dieses Eiland ist ein ehrlich gesagt guter Fleck.

Das Besondere dieser Insel ist, dass man hier sein darf, wie man ist. Immer wieder anders.

Es gibt die Urlauber, die nur einmal kommen, für die einfach viel zu wenig los ist, die sich eher langweilen, weil sie immer wieder neue Eindrücke und Erlebnisse suchen.

Und dann sind da die anderen, die immer wieder kommen. Jedes Jahr. Die braun gebrannt und wettergegerbt eine gewisse Einfachheit lieben. Auch einige Künstler und Künstlerinnen finden und fanden hier ihre Muse. Keiner muss sich hier verstecken. Seelen kommen und gehen, andere bleiben für länger, das prägt das Leben auf der Insel. Und ist womöglich eine Quelle von Freiheit.

Man braucht nur eine Insel. Allein im weiten Meer. Man braucht nur einen Menschen, den aber braucht man sehr.

Mascha Kaléko (gebürtig Golda Malka Aufen; * 7. Juni 1907 in Chrzanów, Galizien, Österreich-Ungarn, heute Woiwodschaft, Polen; † 21. Januar 1975 in Zürich, Schweiz) war eine deutschsprachige Dichterin.

Mit dem Handwagen voller Gepäck auf dem Weg zum Hafen macht uns wehmütig. Die Tage sind so schnell vergangen. Unsere beiden Katzen warten auf uns. Und kein Gönner wird uns einen langen Aufenthalt finanzieren. Dabei wird es, wenn das Schicksal es erlaubt, nicht unser letztes Mal gewesen sein. 

Denn und abermals ist es beides: Vertraut und jedes Mal wieder neu. 

Fotos Hiddensee 2025


Erstellt am 30.05.2025, letzte Änderung am 30.05.2025 von Michael