Rechtsstaat ade

Rechtsstaat ade

Ein Rechtsstaat ist ein sehr zerbrechliches Geflecht, auf dessen Fortbestand wir uns kaum verlassen können. Die Gefährdungen sind vielfältig. Was wollen wir Menschen im Rechtsstaat schützen? Und wer hat welche Interessen?

Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist nach unserem Grundgesetz das oberste Gebot. Meiner Ansicht nach ist das einer der wesentlichsten Grundsätze der Menschheit. Das gilt aber leider nicht überall uneingeschränkt, zum Beispiel in unserer Ausländerpolitik. Unverzichtbar ist es darum meiner Meinung nach die wichtigsten Gesetze, insbesondere im Hinblick auf unsere Verfassung, regelmäßig einer Überprüfung zu unterziehen. 

Die Bedrohung des Rechtsstaat

Die Gefährdung des Rechtsstaates zeigt sich von vielen Seiten. Von innen wie von außen.

Auch in einer stabilen Demokratie finden sich so manche Gesetze aus der Vergangenheit, die nicht mehr zeitgemäß sind. Im Wandel der Zeit werden Recht und Gesetz nur verzögert angepasst. Werden beispielsweise die technologischen Entwicklungen ausreichend berücksichtigt?

So gab es gerade auch in Deutschland Edikte, wie den § 175 Strafgesetzbuch, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte und die Verfolgung Homosexueller ermöglichte. Zwischenzeitlich rigoros verschärft durch die Nationalisten, wurde der 175er erst nach der Wiedervereinigung 1994 endgültig gestrichen. Über Jahrzehnte wurden, nicht selten mit unnachgiebiger Brutalität, homosexuelle Männer in der Bundesrepublik Deutschland verfolgt.

Mit dem Ende des Dritten Reichs war die Zeit, das Denken, das grässliche Handeln nicht plötzlich aus den Köpfen der Deutschen ausgewischt. Vermutlich trug dies deutlich zur Stimmung gegen gleichgeschlechtliche Liebe bei. Menschen, die selbstbestimmt ihr Leben leben wollten, ohne eine andere Person dabei zu irgendetwas zu zwingen, die einfach nur anders als die Mehrheit waren, wurden stigmatisiert, gejagt und bestraft. Und das oftmals in einer Engstirnigkeit, die erschreckend ist und umso klarer zeigt, wie aufmerksam wir sein müssen, uns gegen jede Einseitigkeit zu stellen. 

Offen im Denken zu bleiben, in alle Richtungen, ist immer notwendig. Denn eine einseitige Politik der Eigeninteressen und Lügen, ist für einen Rechtsstaat eine gigantische Gefahr.

Erdoğan in der Türkei lässt politische Gegner aus Angst verhaften, wie Ekrem Imamoğlu, Bürgermeister von Istanbul. Trump liefert sich einen Machtkampf mit der richterlichen Gewalt des eigenen Landes. Das sind nur zwei von so vielen Signalen, die wir Menschen unbedingt ernst nehmen sollten.

Menschen, die den Rechtsstaat tragen, die in der Justiz, in der Wissenschaft und in vielen anderen Bereichen arbeiten, zu bedrohen oder aus ihren Positionen zu vertreiben, unterhöhlt das Rechtswesen fundamental. 

Aber unser aller denken macht das möglich. Blind und anscheinend ohne irgendetwas aus der Geschichte gelernt zu haben, ermöglichen wir Völker die Herrschaftsgewalt von Personen, wie exemplarisch Trump und Erdoğan. Insbesondere, weil wir sie gewählt haben und weil es kaum Gesetze gibt, die ihre demokratische Wahl und die Ausübung eines politischen Amtes durch Verbrecher, verhindert. 

Und weil wir leichtgläubig sind. Es ist allzu einfach, irgendwelche Lügen glauben zu schenken. Sei es, weswegen ein politischer Gegner in Untersuchungshaft gesteckt wird, dass eine Regierung wegmuss, dass blühender Wohlstand versprochen wird oder auch „nur“, dass Homosexualität als eine Krankheit zensiert wird. Wir machen uns die Wahrheit, wie es uns gefällt. 

Es glüht doch so grell: Kann die Männerwelt mit etwas einen Vorteil erlangen, ist es im Handumdrehen legalisiert. Wie zum Beispiel die Prostitution. Es ist rechtens, wenn ein Freier die Dienstleistungen einer „Sexarbeiterin“ annimmt, sie seine Bedürfnisse befriedigt. Dabei werden sich die aller wenigsten Frauen freien Willens hingeben. Gezwungen von Gewalt durch Zuhälter oder von Schleppern werden sie und ihre finanzielle Not und Abhängigkeiten schamlos ausgenutzt. Und selbst wenn ein „Freudenmädchen“ ihre eigene Chefin geworden ist, so war bis dahin ihr Weg im seltensten Fall freiwillig. Diese Frauen sind eben nicht selber schuld. Aber wenn ein Unrecht passiert, werden sie als Erste bestraft. 

Die Opfer zu Täter machen, darin sind wir gerade auch in Deutschland besonders stark. Insbesondere wenn der Staat einseitig von männlichen Gedanken bestimmt wird. Das ist, trotz der Emanzipation der Frauen, tief im kollektivem Bewusstsein der Gesellschaft eingebrannt. Die Vergangenheit ist geprägt davon, dass die Gesetze regelten, das Männer über Frauen bestimmen. Frauen galten im Allgemeinen als ein Anhängsel des Mannes, um Nachkommen zu gebären. Und natürlich zur Befriedigung der männlichen Lust. Das zeigt, wie abhängig unser Rechtsstaat vom Zeitgeschmack ist.

Bis die zunehmende Gleichstellung zwischen Frau und Mann, die Diversität der Geschlechtsidentitäten, die Rechtsprechung erreicht, muss es tiefer in die Köpfe der Mehrheit der Menschen gelangen.

Das Gros der Männer wird aber kaum die Möglichkeit der Vorherrschaft aufgeben. Wer sägt schon gerne an den Beinen des Throns, auf dem er sich so bequem niedergelassen hat. 

Legalisierung und illegalisieren bergen unter Umständen weitere Gefährdungen des Rechtsstaates.

Drogen nicht zu legalisieren und jeden, der zu viel Stoff besitzt, als potenziellen Rauschgifthändler zu kriminalisieren, präsentiert sich passend, in den Augen vieler. Es soll doch um den Schutz der Jugend gehen. 

Ja. Darum muss es gehen. Aber eben ohne Drogenopfer zu Tätern zu machen. Sondern viel mehr durch die Aufklärung der Gesellschaft. Mit der Hinterfragung von Vorurteilen und mit Prävention. Aber das hieße, sich mit der Macht der Drogenkartelle anzulegen. Die gerade damit, dass Suchtgifte illegal sind, ihre allerbesten Deals machen. Desto mehr, umso kolossaler die Sucht der Menschen.

Anzugehen, Rauschmittel zu legalisieren, ohne die Folgen zu verharmlosen, würde die Geschäftsgrundlage des Drogenhandels vermasseln. 

Ich bin bestimmt kein Befürworter für Bewusstsein verändernden Drogen. Aber wir, gerade in einem Rechtsstaat, müssen unterscheiden, warum wir meinen was legal ist und was nicht und wen wir damit schützen und was wir wirklich erreichen wollen. Oder was vielleicht nur als Vorwand dafür dient, um ganz andere Ziele durchzusetzen.

Die gefährlichste Volksdroge Alkohol können wir auch nicht einfach verbieten. Als dies in Amerika ab 1920 mit der Prohibition versucht wurde, hat sich daraus erst die Alkoholindustrie entwickelt. Die, mit dem Bedürfnis nach Freiheit, gerade den Spirituosen ihre Akzeptanz brachte. Die Alkoholindustrie hat mittlerweile eine derart starke Lobby, hat eine Wirtschaftsmacht, die sie mit allen Mitteln verteidigt. 

Allgemein anerkannter Konsens ist: Feiern mit Alkohol, eine Flasche Wein als Genuss oder das Feierabendbier werden problemlos akzeptiert. Dabei wird perfekt ausgeklammert, dass das Zellgift Alkohol die Gesundheit am stärksten schädigt. Der Trinker dagegen gilt als schwach. Ist unfähig, sein Leben im Griff zu haben.

Aber, das ist eben nicht so, nur weil die Mehrheit so denkt. Alkoholiker sind eben nicht alleine schuldig. Eher die Gesellschaft und tiefe Vorurteile. Und die Unternehmen, die mit Alkoholika ihre Umsätze machen. Und dabei jede Möglichkeiten der Gewinnmaximierung nutzen. Und die Gesetze, die das fördern.

Wie schützen wir unseren Rechtsstaat?

Zu wenig, glaube ich.

Staatsanwälte und Gerichte veranlassen Hausdurchsuchungen, die den Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen und somit eine mögliche Strafe vorwegnehmen oder gar noch übertreffen. Jede Politikerin, jeder Politiker, die / der das unterstützt, sägt an den Fundamenten der Rechtsstaatlichkeit. Eine Rehabilitation, oftmals erst Jahrzehnte später, bringt da kaum noch etwas Gerechtigkeitsgefühl.

Richter sind an Gesetze gebunden. Egal ob diese Gesetze eine Grundlage haben, die das Wohl aller Menschen gleichermaßen bewahrt oder „nur“ die Interessen einzelner Gruppen. Ungeachtet dessen, wenn Gesetze nur einem bestimmten Klüngel zu Gute kommen, dann müssen wir diese speziell auf den Prüfstand stellen.

Spezifische Gruppen bedürfen besonderen Schutz, beispielsweise Kinder und Jugendliche. Aber auch hier heißt es, stets genau zu prüfen: Schützen wir diese Gruppe oder geben wir das nur vor, weil wir es doch eigentlich besser wissen könnten. Galoppieren wir mit unseren Vorschriften nicht über das Ziel hinaus?

Wir Menschen müssen gegen Vorurteile kämpfen, gegen jede Unwahrheit und Ungleichheit. Und besonders auch „Vorteile“ aufgeben, um eine gerechte Welt etwas näher zu kommen. Das Recht zu leben sollte meiner Meinung nach die Grundlage eines Rechtsstaates sein. 

Das Rechtssystem muss unbedingt noch umfassender aufgefasst werden. Die Natur und Tierwelt, die Umwelt, brauchen genauso ihre Stimmen, die ihre Rechte vertritt. Verantwortung und Gleichberechtigung geht sehr viel weiter, als zwischen Mann und Frau. Rassismus ist nicht nur zwischen Menschengruppen existent.

Die Rechtsprechung darf nur die Taten verurteilen. Die Bestrafung kann nur eine Veränderung im Täterdenken bewirken, wenn diese mit maximaler Unvoreingenommenheit den gesamten Menschen berücksichtigt. Ein Opfer muss hierbei stets mit allem Respekt behandelt werden und darf sich zu keinem Zeitpunkt ungesehen fühlen.

Wir brauchen ein unabhängiges, globales und verbindliches Rechtssystem, das in der Lage gesetzt ist, möglichst viele Aspekte und Seiten zu prüfen, um dann zu berücksichtigen und abzuwägen, was Recht der breiten Allgemeinheit ist. 

Wir benötigen die bedingungslose Unabhängigkeit der Anwälte, die insbesondere nicht von politischem Interesse getrieben handeln. 

Dabei ist die Autonomie des Rechtssystems, die Gewaltenteilung zwischen legislative, der gesetzgebenden Gewalt, judikative, der Recht sprechenden Gewalt und exekutive, der vollziehenden Gewalt, von entscheidender Bedeutung. Kräfte müssen sich gegenseitig kontrollieren und die staatliche Macht begrenzen.

Gerät dieses System der Gewaltenteilung in Gefahr, wie besonders Besorgnis erregend aktuell in der USA, sind der Anarchie der Ungerechtigkeit, des Machtmissbrauchs, ohne Rücksicht auf Verluste, keinerlei Grenzen mehr gesetzt. 

Wollen wir das?

Links:

Der „Schwulenparagraph“

Trumps Machtkampf mit der Justiz

Erdoğan hat Angst


Erstellt am 23.03.2025, letzte Änderung am 24.03.2025 von Michael