Demagogen
Mit einfachen Worten erreichen sie uns. Wir meinen, sie sprechen unsere Sprache. Wir meinen, sie stehen mit uns auf einer Ebene. Sie sagen es doch. Wir, wir sind das Volk. Wir meinen, sie verstehen uns. Sie sind mit uns. Sie sind einer von uns. Also glauben wir ihnen. Es wird schon stimmen, es ist subtil, es ist einfach. Und es gibt zwar Stimmen, die sagen, dass sie Lügen verbreiten könnten. Aber das sind die anderen. Unsere Feinde. Die das meinen. Die sollen doch gehen. Wir sind das Volk. Und wir lügen nicht. Wir zeigen euch doch nur eine Alternative. Eine alternative Wahrheit. Eine Provokation, ein kleiner Skandal, und von ihnen wird geredet, geschrieben, in den Medien wird berichtet. So erreichen sie uns.
Es ist doch einfach, an klare Worte zu glauben. Ihr Denken ist schwarz oder weiß, gut oder schlecht. Schuld haben die anderen. Die uns bedrohen. Und wir sind entlastet. Wir wollen gut sein. Wir glauben ihnen. An ihre Wahrheit. Ihre einzige Wahrheit. So wie wir an Gott glauben. Den einzigen Gott. Ein Glauben gibt uns Kraft, gibt uns einen Sinn. So glauben wir auch ihnen. Unseren Führern.
Das Gute muss siegen, muss das Schlechte bekämpfen. Unseren Feind. Der uns bedroht. Für sie ziehen wir in den Krieg. Für sie kämpfen wir. Unter Kugelhagel, im Bombenkrater, blutüberströmt, im Sterben liegend, geht uns vielleicht ein Licht auf. Erkennen wir, dass wir in ihre Falle geraten sind. Ihnen auf den Leim gegangen sind. Wie die Ratten dem Rattenfänger, und seiner so schönen, einfachen Musik. Dass sie uns geführt haben, wie Marionetten an Schnüren. Wie es ein Führer eben macht. Aber es ist zu spät. Wir lassen unser Leben für sie. Und opfern unsere Demokratie. Wir opfern unsere Kinder. Unsere Zukunft. Aber, das sagt doch der Andere, der Feind.
Eine einfache Sprache ist an sich gut. Fachchinesisch, nur noch von Experten verstanden zu werden, führt mit zu elitären Gruppen. Die sich dann möglicherweise als etwas besseres begreifen. Es ist nicht immer einfach. Es ist oft komplex, kompliziert, und damit schwer durchschaubar. Damit ist so vieles schwer zu verstehen. So müssen wir in kleinen Schritten denken. In kleinen Puzzleteilen, die wir versuchen, zusammen zu fügen. Die dann, vielleicht, das Ganze ergeben, es aber nicht unbedingt vollständig abbilden können. Wir können uns dem nur annähern, mit unseren Gedanken, unserem Wissen, auf dem Weg sein. Und müssen immer weiter denken. Wir sind das Volk. Und alle gehören dazu. Alle.
Keiner wird ausgeschlossen, ausgegrenzt. Jeder Einzelne ist wichtig. Mit seinen Gedanken, seinem Handeln, seinem Leben. Und auch, mit dem was er nicht kann. Denn das kann vielleicht genau der andere, und so ergänzen wir uns. Das ist die Wahrheit. Sie ist nicht mit einfachen Lügen, mit alternativen Fakten, wegzudenken. Wir müssen das Komplexe zwar einfacher machen, um es zu verstehen, aber wir dürfen dabei nicht vergessen, es dann auch in Zusammenhang mit den anderen vielen Puzzleteilen zu bringen. Dabei ist jeder wichtig. Es gibt keinen Feind, nur weil er anders ist. Aber es gibt Feinde. Die, die in ihrer Machtgeilheit die Demokratie zerstören wollen, um eine autokratische Regierung, eine Diktatur, aufzubauen, die alles andere unterdrückt oder vernichtet. Die Demokratie ist die politische Möglichkeit, dass alle Menschen an Entscheidungen mit teilhaben dürfen und können. Das Entscheidungen gemeinsam getroffen und getragen werden.
Vom Volk gewählte Politiker vertreten das Volk. Das widerspricht den Interessen der egoistischen Macht. Deswegen ist der Demagoge der Feind der Demokratie. Aber wir können diesen Feind nicht mit Gewalt bekämpfen. Wir können ihn nicht eliminieren oder vernichten. Wir können ihn nicht mit seinen Waffen schlagen, denn diese würde er gegen uns wenden. Sondern wir können ihn nur mit Vernunft, mit Worten mit reden und Argumenten begegnen. Wir können ihn entlarven, ohne ihn, in seiner Würde, bloß zu stellen. Denn seine Gedanken, seine Weltanschauung, ist auch notwendig, damit wir den Wert unserer Demokratie immer wieder neu begreifen und verstehen. Das kann die Demokratie aushalten, aber sie muss sich gleichzeitig der Gefahr bewusst sein, dass die Zerstörung der Demokratie das sehr wahrscheinliche Ziel der Demagogen ist. Dabei wird dieses Ziel aber weniger offen gezeigt. Das ist das Wesen einer Falle.
Zum Beispiel: Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf allen Autobahn in Deutschland. Uns wird gesagt, es bedeutet Freiheit, ohne Geschwindigkeitsbegrenzung in Deutschland über die Autobahn zu rasen. Bis wir es selbst glauben. Weil wir mit unserem neuen Auto, für viel Geld, vom Munde abgespart, erworben, diese Freiheit leben wollen. Wir denken, es ist Freiheit, so schnell zu sein, wie wir wollen. Aber. Bin ich frei, wenn ich mit 180 über die Autobahn rase? Ich muss mich nur einer Regel weniger unterwerfen, aber das ist schon alles. Wir hinterfragen nicht, dass Schnelligkeit wenig mit Freiheit zu tun hat, und eine Geschwindigkeitsbegrenzung eine Regelung ist, die die Freiheit der anderen schützen möchte.
Unsere Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen gestört wird.
Wer egoistisch denkt, denkt eben nur an seine eigene Freiheit. Aber. Wir sparen doch Zeit, wenn wir schneller unterwegs sind. Selbst 10 Minuten am Tag für eine Fahrt summiert sich im Jahr auf über 50 Stunden. Das ist schnell ausgerechnet. Was habe ich von der gesparten Zeit? Nichts. Ich werde nicht länger leben und dennoch alles machen können, was ich gerne mache, egal ob ich irgendwo 10 Minuten spare. Nur der Stress wird erhöht, weil ich so vieles möglichst schnell schaffen muss. Schnelligkeit zählt, nur um welchen Preis?
Aber. Es geht doch um deutsche Interessen, um Arbeitsplätze. Wird gesagt. Werden wirklich weniger Autos produziert und verkauft, wenn alle langsamer und damit umweltschonender und sicherer fahren? Ist das nicht ein Totschlag-Argument, mit dem man Kritiker nur mundtot machen möchte. Sind Totschlag-Argumente nicht die besten Totschlag-Argumente, um jede Argumentation im Keim zu ersticken? Und jedes Gespräch zu vereinfachen und damit abzuwürgen? Sind sie nicht der Sand, der uns in die Augen gestreut wird? Wir müssen lernen, hier viel genauer hinzuschauen. Welchen Interessen dienen die Argumente wirklich? Wer verdient den wirklich an den deutschen Autos? Die Industrie, die Wirtschaft, die, die sowieso das Geld haben. Bekommen noch mehr. Die, die sich, parallel dazu, keinen Betrug zu schade sind. Die trotz Abgasskandal Gewinne machen.
Ich vermute, die Korruption im Bereich der Wirtschaft und Politik, hat ein nicht annähernd bekanntes Ausmaß. Auch in Deutschland. Und auch bei den vom Volk gewählten Politikern. Die mehr die Interessen der Wirtschaft vertreten, als die des Volkes, das sie wählte. Dieses ist doch das Grundproblem, das Haus und Hof öffnet, für die einfachen Worte von Demagogen. Das Volk fühlt sich zu wenig vertreten, demagogisch agierende Parteien und Politiker nutzen das erbarmungslos aus. Ich denke, die Politiker müssen begreifen, was ihre wirkliche Aufgabe ist: die Menschen, das Volk, zu vertreten und nicht Werkzeug der Wirtschaft zu sein, und nicht die eigenen Interessen über alles andere zu stellen.
Neben dem unbedingten Erhalt der Demokratie ist noch ein weiterer Punkt wichtig: das überdenken des Wirtschaftssystem. Spätestens mit der Industrialisierung ist ein Denken, sind andere Wertvorstellungen entstanden, die die Menschen vom Menschsein mehr und mehr entfernen. Mit der sich entwickelnden Wirtschaft ist eine Macht entstanden, die meint, alles kaufen zu können. Egoismus, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, ist ihr Wert. Die Ausbeutung von Ressourcen, sei es die menschliche Arbeit, seien es Rohstoffe, ist Mittel zum Zweck. So ist eine Welt entstanden, die den Bezug zur Menschlichkeit, und zur Natur, zu verlieren scheint. Geld wird nicht mehr nur zum Tausch von Waren und Arbeit als sinnvolles Mittel eingesetzt, sondern mit Geld wird Geld verdient, abgekoppelt von den wirklichen Werten, von Arbeit und Rohstoffen.
Diese Art zu Leben, und dazu gehört auch der Wert, den wir bezahlte Arbeit zuweisen, infiziert die Menschen. Und macht sie blind, für das, auf das es wirklich ankommt: Ein Leben, das allen ermöglicht, würdevoll zu leben und ihre Fähigkeiten zu entfalten. Ein Leben, das die Lebensqualität, die Lebensbedingungen erhält. Die nicht zerstört, die Natur, das Klima, die Tiere, die Menschen. Unser Wirtschaftssystem darf nicht mehr das „Geld verdienen“ in den Mittelpunkt stellen, sondern den Erhalt des Lebens. Alles muss dem unterworfen werden. Denn das Leben ist das kostbarste Gut, das wir Menschen haben. Und die Tiere. Und die Natur.
Das „freie“ Rasen auf der Autobahn widerspricht diesen Gedanken. Also brauchen wir entsprechende Regelungen. Die Ausbeutung der Natur, die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung von Menschen, widerspricht diesen Gedanken. Als müssen wir unser Wirtschaftssystem überdenken, ja mehr noch, unsere wirklichen Werte neu finden. Wir müssen das gemeinsame, das solidarische Miteinander, ohne Ausgrenzung, ohne Wenn und Aber, in den Mittelpunkt stellen. Dafür brauchen wir Menschen, Politiker, die die Menschen, das Volk, entsprechend vertreten. Wir brauchen Menschen, die diese Gedanken entwickeln und vertreten. Es gibt entsprechend einige Ansätze in dieser Welt, wenn nicht die Demagogen wären, die ganz andere Interessen haben.
Erstellt am 14.03.2019, letzte Änderung am 13.06.2023 von Michael